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Die Macht des ersten Moments und seine Folgen für die Kommunikation

Es ist wie beim Hasen und dem Igel. Wie bei Tom und Jerry. Der Geschichte vom überraschenden Erfolg des vermeintlich Unterlegenen. Genau so funktioniert es zwischen Kopf und Bauchgefühl. Noch bevor die auf den ersten Blick so überlegene Ratio einen einzigen klaren Gedanken fassen konnte, hat die Emotion sie längst rechts überholt.

Emotionen (das sogenannte „Bauchgefühl“) steuern unsere Reaktionen. Blitzschnell. In einer Zehntelsekunde. Schneller als ein Lidschlag. Wir denken nur, wir hätten eine Meinung gefasst. Eine Entscheidung getroffen. In Wirklichkeit folgt sie dem Diktat der Emotionen. In Wirklichkeit sammelt der Verstand systematisch gute Gründe, die die Emotion des ersten Eindrucks bestätigen.

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1. Kann ich der Person oder der Sache vertrauen?

Die Frage nach dem Vertrauen

Soweit die Kurzfassung. Amy Cuddy, Harvard-Professorin für Sozialpsychologie, hat sich intensiv mit dem Phänomen des ersten Eindrucks befasst. Ihr Ergebnis: Wann immer wir etwas oder jemanden zum ersten Mal sehen, beantwortet der Augen-Blick genau zwei Fragen. Die erste und wichtigere: Kann ich dieser Person oder der Sache vertrauen? Die zweite Frage ist die nach dem Respekt, der Kompetenz, die man dem Gegenüber zuschreibt. Diese Fragen stellen wir uns – in exakt dieser Reihenfolge – unterbewusst automatisch und immer. Bei jedem Kennenlernen, bei jedem ersten Blick. Darwin lässt grüßen: Seit der Steinzeit entscheidet die Fähigkeit zur sicheren schnellen ersten Einschätzung (Freund oder Feind? Rennen oder bleiben?) über Leben und Tod. Über Liebe und Hass.

Nüchtern betrachtet ist der erste Eindruck ein Vertrauensvorschuss. Für die Beantwortung der zweiten Frage nach der Kompetenz steht ein größeres Zeitfenster zur Verfügung. Die vernunftgesteuerte Ratio selektiert dazu alle weiteren Eindrücke. Was zur empfangenen Emotion passt, untermauert den ersten Eindruck. Eventuell aufkommende Fragezeichen lässt sie für den Moment salopp unter den Tisch fallen.

2. Wie kompetent ist mein Gegenüber?

Guter Start für eine positive Entwicklung

Genau an diesem Punkt kommt die Kommunikation ins Spiel. Denn – war der erste Eindruck positiv, stehen alle Türen für eine weitere positive Entwicklung der Beziehung weit offen. War der erste Moment allerdings zwiespältig oder sogar negativ, muss sich das Gegenüber schon sehr strecken, um in allernächster Zukunft maximal überzeugende Argumente für einen Sinneswandel zu bieten. Aus dieser verzweifelten Situation heraus sollten Sie verfahren wie in einem der berühmtesten Filmzitate empfohlen. Machen Sie es wie Don Corleone in „Der Pate“: Machen Sie ein Angebot, das der andere nicht ablehnen kann! 

Liefern Sie schlagende Argumente! Auch wenn dies niemals eine Liebe auf den ersten Blick macht, wittert die Ratio ihre Chance. Sie sagt: Er ist unsympathisch, okay, aber er ist kompetent. Was er anbietet, ist vernünftig – und nützt mir!

Für die Kommunikation basiert der Erfolg jeder Vorgehensweise auf zwei Dingen: Der genauen Kenntnis der Zielgruppe – wie tickt das Gegenüber, mein Kunde? – und dem tiefen Wissen um seine Bedürfnisse – oder anders gesagt um das, was er ganz sicher nicht ablehnen wird. 

Das Gegenüber richtig einschätzen

An dieser Stelle, sagt Amy Cuddy, müssen sich Inhalt und Erscheinung matchen, sich gegenseitig bestätigen. Wie zum Beispiel das Outfit, die Körpersprache und der Inhalt des Gesagten. Gute Umgangsformen gehen notfalls auch in Jeans, der Dampfplauderer im Anzug hingegen hält niemals, was er verspricht und fällt durch.

Schmieriger Mann mit Zigarette, Sonnenbrille und Geld in der Hand
Inhalt und Erscheinung müssen matchen! Gute Umgangsformen gehen notfalls auch in Jeans, der Dampfplauderer im Anzug hingegen hält niemals, was er verspricht und fällt durch. © Tom Bayer – stock.adobe.com

Wer jetzt authentisch ist, punktet automatisch. Überträgt man die Bedeutung von Erscheinungsbild und Inhalt auf Dinge des täglichen Geschäftslebens, beginnen diese schon beim kleinsten Informationsaustausch. Wie dem Übergeben der Visitenkarte, dem ersten Blick auf das Logo oder die Geschäftsunterlagen – unterstreichen sie den ersten persönlichen Eindruck? Wer zu dick aufträgt, dem droht Entlarvung, wenn er nicht hält, was er verspricht. Versagt das preisverdächtige Design der Website beispielsweise beim ersten praktischen Einsatz, ist dieser dann begründete Vertrauensverlust nicht wieder aufzuholen. Habe ich mich rein emotional aufgrund einer ersten schlechten Erfahrung gegen ein Unternehmen entschieden, wähle ich einen (im Web) besser aufgestellten Bewerber. Hinzu kommt: Wie jede schlechte Nachricht verbreitet sich auch diese in Windeseile. Eine kommunikative Bankrotterklärung droht. Denn immerhin 85 Prozent aller Kaufentscheidungen sind durch Kundenrezensionen beeinflusst.

Zielführende Kommunikation ist vorausschauend und einfühlsam. Sie transportiert sich mit Understatement, auch zwischen den Zeilen. Sie kennt ihre Zielgruppe und deren Bedürfnisse. Immer und fortlaufend aktualisiert. Dadurch entsteht Nähe.

Und Nähe ist das, was sympathisch macht, das Vertrauen und Verbundenheit nährt. Je schneller jemand als „Freund“ erkannt wird, desto enger sind die Bande, die geknüpft werden. Die Emotion nimmt beispielsweise Akzente oder andere interkulturelle Gemeinsamkeiten wahr und verbucht sie als dicken Pluspunkt. Das steigert die Akzeptanz für die kommende Beziehung.

Kommunikation auf Augenhöhe

Wer hingegen „nie nach Hilfe fragt, wer soziale Kontaktpunkte meidet, wird schnell als unnahbar eingeschätzt“, berichtet Cuddy, „und verpasst dadurch die Chance, Vertrauen zu bilden und Vertrauenswürdigkeit zu beweisen. Wenn jemand, den Sie versuchen zu beeinflussen, Ihnen nicht vertraut, dann kommen Sie bei ihm auch nicht besonders weit. Tatsächlich kann man dadurch sogar Argwohn auslösen und den Eindruck, man wolle sein Gegenüber manipulieren.“ Cuddy fasst zusammen: „Erst wenn jemand als vertrauenswürdig befunden wurde, wird seine Kompetenz auch im rechten Licht wahrgenommen.“

Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob man sich persönlich trifft oder auf andere Weise kommuniziert. Studien (The Role of National Culture and Multimedia on First Impression Bias Reduction, 2013) ergaben, dass in Textform präsentierte Informationen ähnliche Eindrücke erzeugen. Selbst über kulturelle Grenzen hinweg. Und je vielfältiger der Einsatz der Informationsformen zu einem Thema, Stichwort „crossmedial“, desto effektiver sind sie.

Das bedeutet stetige Arbeit und kreativen Einsatz hinsichtlich des „Was“ und „Wie“ von Kommunikations-Maßnahmen. Doch konzentrieren Sie sich nicht nur auf das Ergebnis. Amy Cuddy mahnt, dass es der Prozess ist, der den positiven ersten Eindruck aufrechterhält, immer wieder bestätigt und damit die Basis für eine stabile Kundenbeziehung ist. Und die hält dann auch einmal gelegentlichen Belastungen stand.

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